1994! Meine Liebe für Punk und Punk Rock bringt auch einen entsprechenden Look mit sich: Meist komplett schwarz, ab und zu mit Holzfäller-Hemd, Jeans zerschlissen, klobige Stiefel, Haare eher strähnig und fast immer eine Sicherheitsnadel im Ohr. Ich höre «Die Toten Hosen», «Die Ärzte», «Abstürzende Brieftauben» und «Green Day» rauf und runter. Heute bin ich Revival-Laune und fühle mich, zumindest vor dem Konzert, mindestens 20 Jahre jünger!
Erneut spielt ein Top-Act im 7 Gehminuten entfernten Petco Park. «Green Day» hat, um in der Baseball-Terminologie zu bleiben, hier ein Heimspiel. Die kalifornische Band hatte sich im Jahr 1987 in der Garage der Eltern formiert und hiess ursprünglich «Sweet Children». Schnell hatten sie bemerkt, dass dieser Name nicht Programm wird und waren ab dann «Green Day». Bestätigt ist es nicht, aber es wird gemunkelt, dass dieser Name an das gründe Kraut, welches sie vielleicht noch heute gerne rauchen, angelehnt ist! Seit 1990 spielen die mittlerweile rund 50jährigen Herren Armstrong, Dirnt und Cool als Trio in der heutigen Besetzung.
Den internationalen Durchbruch bescherte ihnen 1994 das Album «Dookie», welches auch kommerziell ein Riesenerfolg war. Es verkaufte sich über 20 Millionen Mal und gewann sogar einen Grammy Award für das beste alternative Musikalbum. Hä? Noch nie gehört! "Basket Case", "Longview" und "When I Come Around" sind die bekanntesten Songs und zu “Basket Case» sage ich nur: Am I just paranoid? Or am I just stoned? Da sollte es dann bei den meisten klingeln.
Ihr Einfluss auf die moderne Punk- und Rockmusik ist unbestreitbar, da ihre Mischung aus eingängigen Melodien, rebellischen Texten und sozialem Kommentar bis heute neue Generationen von Musikern und Fans inspiriert.
Wir sind heute wieder mit dem Gehörschutz ausgerüstet, den wir auch bei der Flugshow dabei hatten und heute ist er noch fast nötiger. Die Vor-Bands von «Green Day» dröhnen dermassen laut, dass vom Gefühlt her nach 5 Minuten das ganze Stadion in Schutt und Asche liegt. Der Sound ist toll, aber die Lautstärke, Punk hin oder her, übertrieben. Ich bin geneigt zu sagen, «zur Erholung» gehen wir in den Bereich hinter unseren Sitzplätzen, um etwas zu essen und um dann beim Start von Green Day ready zu sein.
Nachdem PINK vor zwei Wochen so dermassen Granate vorgelegt hat, sind wir natürlich sehr gespannt und unsere Erwartungen sind hoch. Auch heute ist das Konzertpublikum von jung bis älter sehr durchmischt. Die Farbe Pink ist jedoch klamottenmässig nirgends zu sehen. Es dominiert schwarz und Nieten. Vans, Lederjacken und zerschlissene Jeans sind hoch im Kurs und das Bier fliesst in Strömen.
Beim ersten gespielten Ton von «Green Day» passiert etwas Magisches. Das komplette Station (über 40'000 Menschen, jeder hat einen Sitzplatz) steht auf und singt ab dann jeden Song, ich würde sogar fast sagen, jedes Wort mit. Es wird getanzt, headgebangt, gepögt, gehüpft...das ganze Konzert ist einfach eine riesige Party. Die unglaublich gute Qualität der Musik und die so persönliche Interkation mit den Fans begeistern H-P und mich ebenfalls, auch wenn wir nicht zu den textsicheren Fans gehören. Die Band verströmt eine unglaubliche Stimmung und Energie und ja natürlich als native Californians haben sie hier eben ein Heimspiel, das merkt man sehr.
Kurz nach Beginn des Konzertes gibt es eine Schlägerei im Bereich direkt vor der Bühne. Der Frontmann Billie Joe Armstrong unterbricht den Song und greift sofort ein. Auf eine sehr charismatische Art spricht er die beiden Streithähne direkt an und sagt ihnen, sie sollen sich beruhigen. Alle seien hier, um eine gute Zeit zu haben. Wer da nicht mitmache, müsse leider gehen. Für Gewalt habe er Null Verständnis! Er macht dann mit dem kompletten Stadion Atemübungen. Ohhhhhhmmm! Kurzzeitig konnten die Gemüter so beruhigt werden. Etwas später wird einer der beiden Typen aber vom Sicherheitspersonal abgeführt. Für uns und alle anderen geht’s weiter!
2 ½ Stunden Vollgas (ich habe gelesen 38 Songs) und das ohne Unterbrechung. Was die drei Bandmitglieder abliefern, können wir fast nicht glauben. Auch das Publikum ist nicht zu bremsen. An hinsetzen oder stillstehen denkt hier keiner! Zwei oder drei Songs spielt Armstrong ganz alleine als wunderschöne akustische Version und das Publikum nutzt die Handykameras als Licht, um für die passende Stimmung zu sorgen. Gänsehaut pur! Sehr klare politische Statements setzt die Band auch ab. Es müsse eine «Wiedervereinigung des Landes geben». Die Angst und der Hass, welcher geschürt werde, sei nicht mehr erträglich und zerstöre das geliebte Amerika. Geht wählen, Leute!
Mit dem Schlussworten "Wir lieben es, Musik zu spielen, und ihr habt uns in den letzten 35 Jahren die Chance gegeben, dies zu tun" bedankt sich die Band beim Publikum. Heute Abend geht auch ihre «Saviors» Tour zu Ende. Ein riesiges Feuerwerk wird zum Abschluss gezündet und erhellt den kompletten Himmel über Downton San Diego.
Ich habe schon viele internationale Acts gesehen und hätte nicht gedacht, dass ich das heute sage: Das beste Konzert an dem ich je war. H-P sagt: Mein’s auch! Der absolute Wahnsinn! Wir sind aufgekratzt und nehmen auf dem Heimweg noch einen Drink!
...und ich habe gemerkt, dass ich mindestens noch 5 % Punk in mir habe und das bewahre ich mir! :-)
A
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