Mitten in der Nacht brummt der Highlight-Alarm! Um 03.00 Uhr schellt mein Wecker und ich stehe sofort auf! Ab unter die Dusche und «getting ready fort the trip»! H-P ist maximal irritiert, als ich ihn um 03.45 Uhr aus dem Tiefschlaf scheuche. Wir gehen heute bei Sonnenaufgang auf den gefährlichsten Trail im ganzen Josuha Tree National Park! Vermutlich liegt es an meiner Nervosität und Vorfreude, dass ich bezüglich Zeitplan nicht so genau zugehört habe. Abfahrt ist nämlich erst um 05.30 Uhr! H-P dreht sich nochmals auf die andere Seite und schläft weiter!
Ich weiss genau, wenn ich jetzt auch nochmals schlafen gehe, ist der Tag gelaufen. Aktuell fühle ich mich nämlich fit und energiegeladen. In Wander-Vollmontur muss ich deshalb mal fast zwei Stunden totschlagen. Ich koche heissen Tee für die Thermosflasche und fabriziere aus dem gestern gekauften Baguette feine Sandwiches für das Frühstück. Je eines mit original Schweizer Gruyère (jep ich wurde schwach und habe meinen Lieblingskäse gekauft) und eines mit Erdbeer-Gomfi! Natürlich dauert das nicht zwei Stunden, sondern maximal 20 Minuten. Ich kurve also nochmals ums Bett und schlage H-P vor, wir könnten doch auch etwas früher abfahren und vor dem Sonnenaufgang im Auto frühstücken. Du bist ein Quälgeist murmelt er, knickt aber ein und steht ebenfalls auf.
Die Fahrt bis zum Cholla Cactus Garden dauert 60 Minuten. Es ist Zappenduster und noch fast niemand ist unterwegs. Im Nationalpark dürfen wir nur langsam fahren und es hoppeln vereinzelt Hasen vor uns über die Fahrbahn. Am Horizont wird es langsam hell und die Stimmung ist spooky und irgendwann rennt auch noch ein grösseres Getier vor dem Auto durch. Es ging viel zu schnell, um etwas zu erkennen. Beim Parkplatz stehen auch schon einige andere Besucher, die das frühe Naturschauspiel erleben wollen.
Genüsslich essen wir unser Frühstück und wärmen uns mit dem heissen Tee. Aktuell ist es 15 Grad und nach dem gestrigen Tag fühlt sich das an, als würden wir trotz warmem Hoodie einfrieren. Dann geht das Spektakel auch schon los. Der Himmel wird langsam gelb-orange, wunderschön! Eigentlich müsste hier ein Schild angebracht werden: «Willkommen auf dem gefährlichsten Rundweg im Joshua-Tree-Nationalpark»! Nein, es sind nicht unwegsame Pfade oder exponierten Bergrücken, die diesen Weg so tückisch machen; es sind hinterlistige Kakteen, genauer gesagt der Cholla Cactus! Die menschengrossen Pflanzen sehen irgendwie putzig und flauschig aus, darum werden sie auch Teddybär-Kakteen genannt. Sie werden aber auch «Springkaktus» genannt. Ich komme später nochmals darauf zurück!
Mittlerweile ist der Sonnenaufgang in vollem Gange und wir sind einfach nur sprachlos. Was die Natur hier aufführt, ist ein absolutes Highlight und mit Worten kaum beschreibbar. Im Minutentakt verändert sich die Stimmung. Wir laufen auf den vielen kleinen Wegen rum. Je mehr die Sonne scheint, desto mehr entsteht ein Glow und es scheint als würden die Teddies glühen! Nicht nur wir sind begeistert, die anderen rund 20 Personen um uns herum sind ebenfalls aus dem Häuschen.
Plötzlich hören wir einen ohrenbetäubenden Schmerz-Schrei. Es ist ein junger Mann, der ca. 20 Meter von uns entfernt steht. Ein Arm eines Chollas hängt an seinem Allerwertesten. Ich höre ihn und seine Partnerin auf Deutsch sprechen und als sie den Kaktus mit baren Händen entfernen will, schreie ich: Nicht anfassen! Da hat sie auch schon ein Stück am Jackenärmel aber zum Glück nicht an der Hand. Sie schauen mich erschrocken an. Ich sage ihnen, sie sollen ein Stück Holz oder etwas ähnliches nehmen.
Diese Kakteen springen oder eher, der Wind weht Teile davon für die Fortpflanzung von der Pflanze weg. Jeder einzelne Stachel hat winzige Widerhaken, die sich an allem festsetzen mit dem sie in Kontakt kommen. Bei der kleinsten Bewegung gehen sie durch Kleidung durch und so haben sie sich auch in die Haut des jungen Herrn reingebohrt. Er leidet Höllenqualen. Ich habe gelesen, dass es sich bezüglich Verletzungen um die meist gefürchteten und gehassten Kakteen im Südwesten handelt. So gut es geht, entfernen sie die Stacheln. Ich bin mir sicher, dass sich die Wunde heute noch ein Arzt ansehen wird.
Wir verbringen den ganzen weiteren Tag im Nationalpark und fahren zu ausgesuchten Stellen, um dort jeweils auf Rundwegen zu laufen und die Natur zu bestaunen. Ranger Waldegger hat einen hervorragenden Job gemacht und die besten Orte in seinem extra bei Amazon bestellten Buch recherchiert. Der Joshua Tree National Park hat seinen Namen vom ikonischen Joshua Tree, einer eigenartig aussehenden Pflanze der Yucca Familie. Diese skurrilen Bäume prägen die Landschaft mit ihren verdrehten Ästen und stacheligen Blättern und schaffen eine surreale und jenseitige Atmosphäre.
Der Park ist auch berühmt für seine atemberaubenden Felsformationen. Einer der bekannten Granit-Monolithen, den Skull Rock, schauen wir uns aus nächster Nähe an. Wer genau hinschaut sieht den Schädel/Totenkopf. Strassen und Pfade führen durch ein irres Gelände mit aufgetürmten Felsblöcken. Die Steinhaufen entstanden vor mehreren hundert Millionen Jahren unter der Erde aufgrund vulkanischer Aktivität. Magma stieg aus den Tiefen der Erde auf, dabei drang es in das darüberliegende Gestein ein. Schliesslich erodierte der Boden an der Oberfläche und hinterliess Haufen von Granit, die nun über den Boden verstreut herumliegen.
Nachdem wir an diversen Orten sozusagen Querfeldein gelaufen sind (natürlich im Stampf-Schritt, um sämtliche Tiere fernzuhalten), haben wir noch Bock auf Panorama-Aussicht. Dafür bietet sich der «Keys View» Point an. Wahnsinn! Von hier aus sehen wir bis nach Palm Springs, Salton Sea und einen Grossteil des Coachella Valley! Wir sitzen auf einer Bank und atmen tief durch! Natur pur!
Diesen grandiosen Tag lassen wir mit einem BBQ und Lagerfeuer with a view in unserem Haus ausklingen! ...und soeben festgestellt: Wir haben eine winzig kleine Maus im Haus! Die war schon vor uns da, wir haben uns nämlich an die Anweisung des Vermieters gehalten und hatten die Türen immer vorbildlich geschlossen.
A
Kommentar schreiben