Es gibt Tage, da steht man am Morgen auf und weiss, heute wird es einfach grandios. Mit genau so einem Gefühl starten wir in den Tag und freuen uns riesig auf den Day Trip nach Tijuana. Wir wissen nur, wann wir Mary und Gio in Chula Vista abholen dürfen, dass wir logischerweise unseren Pass benötigen und dass wir zu Fuss über die Grenze gehen. Zudem hat H-P einen Tagesparkplatz in Gehdistanz zur Grenze reserviert. Alles andere ist geheim und darum eine Überraschung! Ich würde nicht mit vielen Personen mit so wenig Infos auf einen Daytrip gehen, aber mit Mary und Gio zögere ich nicht eine Sekunde. 1000% Vertrauen, dass es sensationell wird! Ich bin so aufgeregt! Meine Vorfreude explodiert fast! Wohoooo!
Es ist der meistgenutzte Grenzübergang der Welt. Pro Tag passieren rund 300'000 Menschen «the border» zwischen San Ysidro, USA und Tijuana, Mexiko. Heute sind es 4 zusätzliche Personen: 1 Amerikanerin, 1 Italiener mit Greencard und 2 Schweizer! H-P und ich waren bisher 4 x in Mexico. 1 x mit dem Flugzeug in Cabo San Lucas für Ferien von den Ferien, 1 x mit dem Kreuzfahrtschiff in Ensenada sowie mit Mary und Gio je 1 x mit dem Auto zum Essen in Tijuana und in Puerto Nuevo. Das heutige 5. Mal ist aber ganz besonders, denn die Grenze zu Fuss zu überqueren ist so aufregend, mir kribbelt es richtig in den Fingern.
Vom Auto aus laufen wir geschätzt 1 km bis zur ominösen Mauer, an welcher wir am amerikanischen Zollgebäude vorbei durch eine Drehtüre und danach durch einen Korridor zur Grenzkontrolle der Estados Unidos Mexicanos gelangen. Das ist übrigens der offizielle Name von Mexiko. Der Grenzbeamte fragt H-P, wie lange wir in Mexiko bleiben und druckt uns eine Aufenthaltsgenehmigung für den heutigen Tag aus. Danach läuft er quer durch die Halle, um einen Stempel zu suchen. Zum Glück gefunden! Zack haben wir ein schönes grünes Andenken im Pass!
Weiter geht’s flotten Schrittes vorbei an Menschen, die nach Geld und Essen fragen, Händlern die Essen verkaufen wollen und Taxifahrern, die um Fahrgäste buhlen. Von letzteren hat es unglaublich viele. So viele Taxis auf einem Haufen habe ich noch gar nie gesehen.
Unsere «Superpower» Mary aka Maria läuft unserer Mini-Reisegruppe voraus. Wieso «Superpower»? Mary ist in Tijuana aufgewachsen, kennt die City und Spanisch ist ihre Muttersprache. In ihrem Rucksack hat sie kleine Essenspakete mitgebracht, um sie auf dem Weg an Bedürftige zu verteilen. Das finde ich eine wunderschöne und herzliche Geste.
Innerhalb von einigen Minuten sind wir in einer komplett anderen Welt angekommen. Das Strassenbild und die Gebäude sind anders. Das Klima fühlt sich irgendwie anders an – heiss und drückend. Es gelten nicht mehr Meilen, sondern wie bei uns Kilometer und ich vermute, die Strassenschilder interessieren gar niemanden. Aus sicherer Distanz beobachten wir den Verkehr, der von der mexikanischen Seite auf die Grenze zurollt. Für mich schaut’s nach einem eindrücklichen Chaos aus, es funktioniert aber irgendwie. Vielleicht wegen dem Herrn, der zwischendurch zu Fuss ein banales Seil über die Fahrbahn spannt um den Verkehr zu drosseln. Wir suchen unseren UBER Fahrer und als Gio wagemutig über die 5 Spuren-Fahrbahn rennt, um auf der anderen Seite der Strasse zu schauen, kann ich kaum hinschauen. Spektakulär!
Mit dem UBER fahren wir zum Mercado Miguel Hidalgo, der aus dem Jahr 1955 stammt. Seit 1984 ist er am heutigen Standort. Rund 80 Läden bzw. Stände sind in einem O aufgestellt und umrahmen den Parkplatz des Marktes. Diesen Ort empfinde ich als Oase für die Sinne. Es ist wunderschön farbenfroh, duftet nach leckerem Essen und die Tijuanenses sind unglaublich freundlich. Früchte und Gemüse schauen aus, als wären sie vor wenigen Minuten frisch gepflückt worden. Die Auswahl ist eindrücklich. Die Hitze hat uns etwas geschafft und unsere zwei Insider schlagen vor, dass wir eine Trink-Kokosnuss kaufen. Los caballeros mit den Macheten schlagen die jungen Kokosnüsse frisch auf und es ist ein wahrer Genuss. So erfrischend! Wow! Als wir leergetrunken haben, geben wir die Kokosnüsse zurück und sie lösen für uns das Fruchtfleisch aus. Dieses wird mit mexikanischen Gewürzen verfeinert und jedem in einem Plastiksack zurückgegeben. Alles schaffen wir nicht, den Rest essen wir morgen zuhause. Über eine Stunde verbringen wir auf dem Markt. Andere Touristen sehe ich weit und breit keine.
Tijuana ist mit etwas über 1.8 Millionen Einwohnern die grösste Stadt in Baja California und ein wichtiges Industrie- und Finanzzentrum Mexikos. Die Stadt hatte in der Vergangenheit einen schlechten Ruf für Dinge, die von betrunkenen Gringos, dem Einfluss von billigem Tequilla und anderen zwielichtigen Gestalten begangen wurde. Die Stadt ist gerade dabei, ihr schäbiges Image von einst abzulegen und sich zu einem beliebten Reiseziel zu mausern. Natürlich muss man auch heute noch mit offenen Augen, möglichst bei Tag durch die Strassen gehen und gewisse Quartiere ganz meiden. Ich denke aber, dass unser Trip so vor 10 Jahren gar nicht möglich gewesen wäre. Eindrücklich ist, dass wir mehrmals gepanzerte Fahrzeuge der Spezialeinheit Federales mit maskierten und schwer bewaffneten Polizisten sehen, die Patrouille fahren. Mary winkt und sie winken zurück.
Unser nächster Stopp ist das Restaurant Lorenza, welches sich in einem Quartier mit vielen Neubauten befindet. Wenn das Essen so gut ist wie das Interieur schön, dann Aiaiaiai! Genau so ist es! Wir schlemmen vom Allerfeinsten, plaudern vergnügt und der Service ist unglaublich aufmerksam. Was für ein wundervolles Erlebnis!
Es sei das erste und einzige Wrestling-Museum in Mexiko, schreibt das im 2017 eröffnete «Museum of Mexican Wrestling (Mullme)» online über sich. Im Erdgeschoss befinden sich fast 13'000 Gegenstände von privaten Sammlern. Die Gegenstände, die hier zu sehen sind, haben nichts mit Wrestling zu tun. Es sind Poster, Zeitschriften, Polaroid Kameras, Sessel, Schlüsselanhänger, Fotos, Superhelden, Barbies, historische Markenprodukte und vieles mehr. Sehr spannend finde ich, zu vergleichen, ob es Dinge gibt, welche es auch bei uns gab. Da sind mir z.B. Fix und Foxi Zeitschriften ins Auge gestochen.
Als wir die zweite Etage erreichen, stellt sich Euphorie ein. Wir sind jetzt definitiv im Herzstück des Museums angelangt. Wrestling ist hier nicht einfach Sport, es ist Kultur, welche tief mit dem Land verwurzelt ist. Die Wrestler mit ihren farbigen Masken sind die Helden ganzer Generationen. Ausgestellt sind Wrestler-Masken, Figuren, Umhänge, Originalhaare von Kämpfern (What?) und blutige Fotos. Diese Privatsammlung von rund 7'000 Gegenständen gehört dem Museumsdirektor Mauricio Pino. Gio hat früher oft Wrestling geschaut und zeigt uns auch gleich ein paar moves. Unglaublich spannend und der Höhepunkt ist der Moment, in welchem wir alle in den Ring steigen und uns die Mitarbeiterin des Museums fotografiert. Ich kriege mich vor Lachen beim Foto schiessen kaum ein, als Mary auf die Leine der Ringabgrenzung klettert und sich wie unsere Galionsfigur hinstellt. Als ich das Foto sehe, kriege ich einen Lachflash! Meine Güte, so geil! OMG! Dieses Bild rahme ich zuhause in der Schweiz ein! H-P denkt über ein neues Hobby nach, den Champion-Gürtel möchte er am liebsten gleich mitnehmen!
Wir laufen zur berühmten und berüchtigtsten Strasse von TJ, der Avenida Revolución. Es sind gerade Aufbauarbeiten für ein Konzert in Gange. Kein Witz: Hier im Hotel Caesar wurde der weltbekannte Caesar Salad erfunden. Etwas weiter entfernt sehen wir den Tijuana-Bogen, der offiziell Reloj Monumental heisst. Die Sehenswürdigkeit ist mit 60 Metern Höhe und 33 Metern Breite, in etwa so gross, wie ein 14-stöckiges Gebäude. Imposant! Die Sonne steht aktuell so perfekt, dass es ausschaut, als wäre der Bogen beleuchtet.
Es wird langsam Abend und Mary möchte diese Gegend verlassen, bevor es dunkel wird. Direkt angrenzend befindet sich das Rotlichtviertel und das ist eines der Gebiete, welches wir aus Sicherheitsgründen lieber meiden wollen.
Mit einem weiterem UBER Ride und 30minütigem Spaziergang erreichen wir das Restaurant Mision19. Als ich an der Türe das Michelin Schild sehe, denke ich kurz über mein bequemes «Reiseoutfit» nach und ob ich da so rein kann. Die Zweifel sind schnell vergessen als wir sehr nett von den vielen Restaurantmitarbeitern begrüsst werden. Aktuell sind wir noch die einzigen Gäste. Die Auswahl auf den Menükarte ist der Wahnsinn! Wir sind alle vier total begeistert. Als das Essen serviert wird, können wir unsere ahhhs, ooohhhs und mmmmhhhhs nicht mehr zurückhalten. Ich kann wirklich sagen, dass es eines der besten Essen war, welches ich je hatte. Die Gastronomie-Szene von TJ ist der absolute Hit!
Später lese ich, dass der Name Mision19 ein Hinweis auf die 18 katholischen Missionen sei, die in Baja California existieren. Die Mission des Restaurants sei etwas bodenständiger: Das Essen der Gegend zu feiern. Das Restaurant befindet sich im zweiten Stock eines Minergie-Gebäudes und strebt nach Nachhaltigkeit, indem es Produkte verwendet, die nicht mehr als 200 km Weg von der Farm bis zum Tisch benötigen. Ich bin gerade nochmals begeistert.
Ein Taxi bringt uns an die Grenze und wir laufen den ganzen Weg vom morgen wieder zurück. Mittlerweile ist es kühl geworden und wir sind froh, haben wir einen zusätzlichen Layer Kleider dabei. Die Einreise klappt reibungslos und geht schneller als erwartet. Nach ca. 30 Minuten sind wir in die USA eingereist. Ein bisschen Herzklopfen hatte ich schon, um ehrlich zu sein. Auf dem Rückweg zum Auto sehen wir den unglaublich langen Stau, der jeden Tag so ist. Mexikaner, welche in den USA arbeiten, fahren nachhause und brauchen viel Geduld. Nachdem wir die Sagratis nachhause gebracht haben, fahren wir überglücklich und voller schöner Eindrücke nach Downtown SD. Über eine Stunde reden wir noch über den Tag und freuen uns über die Erlebnisse. Anschliessend fallen dann komatös direkt in den Tiefschlaf. Es war grandios!
Liebe Mary und lieber Gio
Von Herzen danke schön, dass Ihr uns auf diesen Trip eingeladen, extra frei genommen und alles organisiert habt. Es war eines des Highlights unserer Reise, welches wir nie vergessen werden! Es ist ein Privileg, Freunde wie Euch zu haben! MUCHAS GRACIAS POR TODO!
A
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